::::::::::::::::::::: Verstreute Werke
Reinhard Kaisers Elektroarchiv


Die Stimmen der Überlebenden

Fruma Kucinskiene: »Aus dem Ghetto wurde ich heimlich, im späten Herbst 1943 herausgeführt, von zwei russischen Frauen. Die erste Nacht verbrachte ich bei diesen Frauen. Und natürlich war ich schüchtern, voll Schreck in mir. - Am nächsten Tag kam eine Frau, die deutsch sprach. Recht streng schien sie mir. Hatte einen Hut an mit einer kleinen Voilette, und da sie deutsch sprach, dachte ich: Ich muß mich schnell verkriechen! Das war der erste Eindruck von Helene Holzman.«

Margarete Holzman: »Es ist keineswegs so, daß auch nur irgend etwas dort kaschiert wurde. Es wurde gemordet und erschossen vor aller Augen. Es ist ganz unmöglich, daß auch nur ein einziger der Deutschen, der damals in Litauen stationiert war, das nicht gesehen und nicht erlebt hat. Das ist ganz unmöglich.«

Fruma Kucinskiene über die »Große Aktion« im Ghetto von Kaunas am 28. Oktober 1941, die sie als achtjähriges Mädchen mitmachte: »Also da kam das Kommando: Links-rechts, also von uns aus gesehen, war die rechte Seite die gute und die linke die schlechte. Und mein Vater war ein großer Mann, vom Wuchs groß. Er hat immer beobachtet und hat wahrscheinlich schon verstanden, wann und wie besser an die Selektion heranzukommen ist. Da waren doch Momente, wo mehr Leute nach links gingen als nach rechts... Wir standen lange auf diesem Platz, bis wir endlich zu dieser Selektion herankamen. - Wie ich das in Erinnerung habe ... vor Schreck habe ich wahrscheinlich auch nicht alles bemerkt. Aber da war so ein Tisch, und ich erinnere mich an stehende Personen, die recht rauh und grob mit diesen Kommandos... und manchmal auch mit Gewalt nach der einen oder der anderen Seite die Leute geschoben haben.

Margarete Holzman: »Zu deutschen Zeiten, also unsere Stuben - wir hatten ja damals auch nicht mehr so viel Platz - waren eigentlich immer voller jüdischer Kinder. Und die Kinder haben dann auch gespielt - oder ich versuchte, mit ihnen zu spielen. Wattepusten über den Tisch. Und während sie spielten und lachten - waren ja Kinder -, plötzlich fingen sie dann an zu weinen!«

Margarete Holzman über ihre Schwester Marie: »Und dann hat man sie erschossen - ja, was soll man machen? Irgendwie wurde sie dann doch... ich weiß nicht, wir haben niemals einen Status, wir haben niemals etwas gekriegt, niemals irgendeinen offiziellen... offiziell war dann einfach noch mal ein Mensch weg.«



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