9.
Von mancherley
Farb der Schnee und Gläser
Über das werden
auch vil
und mancherley wunderbarliche
Formen und Gestalten des Schnees hin und wider gefunden, sonderlich in
mitnächtigen sampt den anstossenden Ländern. Und so
neher mann ruckt under den
Nortspitzen, jhe mehr sich der Schnee nach Grösse und Gestalt
verändern thut,
dessen Ursach mehr zu verwundern, dann zu ergründen, wie oder
warumb so vil und
mancherley Gestalten so weichen und schlechten
[1] Dingen eingepflantzt werden, das doch allen Gelerten auff Erdtrich
verborgen.[2]
Man
findet bißweilen auff eyn
Tag und Nacht 15 oder 20 oder mehr underschiedlicher Gestallt und
Veränderung
der Schnee. Deßgleichen tregt sich ebensolche
Veränderung auch zu in den
Gläsern, die man in die Fenster der eingewärmten
Stuben setzet. Dann indem man
etliche Örter wider die grosse, mächtige
Kälte einwärmet, so düncket eynen, es
werden die Gläser, die für die Löcher
gemacht sein, durch die Kälte, so außwendig
darankompt, und besondere Kunst der Natur mit hübschem,
schönem Bildwerck also
zierlich gemalet, daß sich eyn jeder Künstler, der
sie ansicht, wol verwundern,
aber nicht bald nachmalen wird. Jedoch so man sie nachgehns
außpoliert, werden
sie sehr hübsch gemacht, die man zur Zier und Hoffart ins
Hauß braucht
[3],
deren gleichen man von andern Völckern weder umb Gelt noch umb
Bitt bekommen
kan. Und nach solchem macht man in andern Landen die silberin
Trinckgeschirr,
deßgleichen köstliche Tapetereien mit
schönem Gemäld, wie wir drunden von
Malern und Stickern etwas sagen wöllen.
Aus
Buch 3: Warhafftige
Beschreibung von
erschröcklicher Abgötterei und Verehrung der Teuffel,
so die mitnächtige
Völcker treiben
7.
Von den
Schwartzkünstlern und Zauberern in Finland
Wie erfahren auch die
Schwartzkünstler und Zauberer gewesen
sein, die Element entweder durch sich selbs oder durch andere Leuth zu
bezaubern, daß sie gelinder oder rauher und
ungestümmer haben sein müssen, denn
die naturliche Ordnung erfordert, wöllen wir auff das
allerkürtzest anzeygen.
Doch müssen wir zuvor vermelden, daß dise eusserste
mitnächtige Länder, Finland
und Lappenland, da sie noch im Heydenthumm gewesen, also in der
Zauberei sein
erfahren und geschickt gewesen, als wann sie den Zauberer Zoroasten
auß Persia
selber zu eynem Lehrmeyster in solcher Kunst gehabt hetten.
Die
Finländer haben unter andern
Irrthummen des Heydenthumms auch disen gehabt, daß sie den
Kauffleuthen, wann
sie durch böse, widerwärtige Wind am Gestaden
verhindert worden, den Wind
feylgebotten und umb Gelt verkaufft haben. Trei Knöpff
[4]
haben sie ihnen
geben, die haben sie durch Zauberei an eynen Riemen gemacht, doch mit
disem
Bescheyd: wann sie den ersten werden auffthuen, so werden sie guten,
sänfften
Wind haben; den andern, so werde der Wind etwas häfftiger
sein; den dritten, so
werden sie solch ungestümm Wetter haben, daß sie
weder zum Schiff werden können
hinaußsehen, damit sie nit an die Steyn fahren, noch im
Schiff werden können
gehen und die Segel zusammenheben, noch das Ruder werden
können halten und
meystern. Und haben diejehnige die Sach mit ihrem grossen Schaden
erfahren, die
durch Verachtung vermeynet, daß solche Knöpff keyne
Krafft solten hinder sich
haben. Jedoch nachdem diß Volck zum christlichen Glauben
bekehret worden, hat
man nie innen worden [5],
daß es sich solcher Zauberei solte weiters gebraucht haben.
Über daß so hat Silvald [6] auß Schweden, der dem König Haldan nach dem Königreich gestanden, siben Söhne gehabt, die seind in der Zauberei so wol erfahren gewesen, daß sie offtermals urblötzlich seind worden, als wann sie unsinnig weren, greulich, mit gekrümmtem Maul geblärret, die Schild zerbissen, glüende Kolen verschlücket, durch das Feuer geloffen und nicht anderst denn mit gar harten Banden oder durch Menschenopffer haben können gestillet werden.
Aus
Buch 21: Von
den großen Meerwundern und Fischen
4. Von dem
Physeter, Sprützwall genennet,
und seiner Greuligkeyt gegen den Schiffleuthen
Under den Wallfischen
ist der
Physeter oder Priester,
Sprützwall genennet, welches Länge biß in
die zweyhundert Elenbogen ist, sehr
eyner greulicher Natur. Er erhebet und thut sich bißweilen zu
grossem Schaden
deren, so im Schiff sein, hoch über die Sägelstang
und schüttet das Wasser,
welches er gesammlet und in sich gesoffen, mit solchem großen
Hauffen auß den
Rören, die er am Kopff hat, in die Schiff, daß er
bißweilen die allerstärckeste
Schiff entweder durch solches Wasser versencket oder die Schiffleuth in
grosse
Gefärligkeyt bringet.
Es
hat diß Thier sehr eyn
grosses, weites, rundes Maul wie eyn Lampret
[7],
damit er die Speiß nimmt und das Wasser schöpffet.
Es fället offt mit seinem
großen Leib entweder vornen oder hinden in die Schiff,
trücket sie under sich
und versencket sie. Bißweilen ist es an solchem und
daß es mit Wasserschöpffen
den Schiffen Schaden thut, nit zufriden, sonder stosset das gantz
Schiff darzu
mit dem Rücken auff eyn Seite oder schlecht es mit dem
Schwantz umb. An seinem
gantzen Leib hat es eyn dick und schwartzes Leder, lange Federn wie die
breyte
Füß, eyn zertheylten Schwantz mit zweyen Spitzen,
fünffzehen oder zwentzig Schuch
breyt, damit es den Schiffen vil Leyds thut. Jedoch kan man seiner
Boßheyt
durch eyn Posaunen oder Trummeten begegnen, deren harten und hellen
Klang es
nit leiden kan, und mit sehr grossen Fassen, die man hinauß
ins Meer wirfft und
seinen Lauff damit hindert. Dann es spilet damit und vergisset eyn Weil
der
Schiff. Oder mit grossen und starcken Büchsen, ab welcher
hellen Knall es vil
mehr dann von dem Steyn und Schuß erschricket. Dann es
verleuret der Steyn
gemeynlich sein Krafft, entweder durch das Wasser oder durch die
Feysste des
Fisches. Dann wann man ihn schon triffet, so gehet es doch nit mehr
dann nur
eyn wenig in den grossen Leib, der allenthalben mit dicker Feysste als
mit
eynem Bollwerck umbgeben ist. Man findet auch stätigs im
nordwegischen Meer
alte und neue Meerwunder von wegen der unergründlichen Tieffe.
So sein auch
mancherley Fisch in der Tieffe auff dem Grund, die nimmer oder gar
selten
gesehen werden.
Zum Inhaltsverzeichnis
- Die Carta marina von 1539
[1]
schlichten, einfachen
[2]
Der
erste Absatz dieses erstaunlichen Kapitels gehört zu den
Passagen, die in der
von uns zugrunde gelegten Übersetzung des Israel Achatius,
Straßburg 1567,
nicht enthalten sind. Wir ergänzen ihn nach der im gleichen
Jahr in Basel
erschienenen Übersetzung von Johann Baptist Fickler, dort S.
22..
[3]
der
Sinn etwa: Wenn man aber Talent einsetzt, lassen sich mit Geschick
diese
Entwürfe zur Veredelung und Verschönerung der
Häuser verwenden.
[4]
Knoten.
[5]
hat
man nie gehört
[6]
Vgl.
Saxo Grammaticus, Gesta Danorum, Buch 7:2.
[7]
Neunauge.