:::::::::::::::::::: Reinhard Kaisers Elektroarchiv  - Versammelte Werke  :::::::::::::::::::::
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Olaus Magnus: Beschreibung der Völker des Nordens
Historia de gentibus septentrionalibus (Rom 1555)

Aus Buch 1: Kurtze Beschreibung wunderbarlicher, verborgener Natur viler Dinge, seltzamer, unerhörter Sitten, Gewonheyten und Kriegsbräuche bei den mitnächtigen Völckern

 9. Von mancherley Farb der Schnee und GläserSchneekristalle

Über das werden auch vil und mancherley wunderbarliche Formen und Gestalten des Schnees hin und wider gefunden, sonderlich in mitnächtigen sampt den anstossenden Ländern. Und so neher mann ruckt under den Nortspitzen, jhe mehr sich der Schnee nach Grösse und Gestalt verändern thut, dessen Ursach mehr zu verwundern, dann zu ergründen, wie oder warumb so vil und mancherley Gestalten so weichen und schlechten  [1] Dingen eingepflantzt werden, das doch allen Gelerten auff Erdtrich verborgen.[2]

Man findet bißweilen auff eyn Tag und Nacht 15 oder 20 oder mehr underschiedlicher Gestallt und Veränderung der Schnee. Deßgleichen tregt sich ebensolche Veränderung auch zu in den Gläsern, die man in die Fenster der eingewärmten Stuben setzet. Dann indem man etliche Örter wider die grosse, mächtige Kälte einwärmet, so düncket eynen, es werden die Gläser, die für die Löcher gemacht sein, durch die Kälte, so außwendig darankompt, und besondere Kunst der Natur mit hübschem, schönem Bildwerck also zierlich gemalet, daß sich eyn jeder Künstler, der sie ansicht, wol verwundern, aber nicht bald nachmalen wird. Jedoch so man sie nachgehns außpoliert, werden sie sehr hübsch gemacht, die man zur Zier und Hoffart ins Hauß braucht [3], deren gleichen man von andern Völckern weder umb Gelt noch umb Bitt bekommen kan. Und nach solchem macht man in andern Landen die silberin Trinckgeschirr, deßgleichen köstliche Tapetereien mit schönem Gemäld, wie wir drunden von Malern und Stickern etwas sagen wöllen.


Aus Buch 3: Warhafftige Beschreibung von erschröcklicher Abgötterei und Verehrung der Teuffel, so die mitnächtige Völcker treiben

7. Von den Schwartzkünstlern und Zauberern in FinlandSchwartzkuenstler

Wie erfahren auch die Schwartzkünstler und Zauberer gewesen sein, die Element entweder durch sich selbs oder durch andere Leuth zu bezaubern, daß sie gelinder oder rauher und ungestümmer haben sein müssen, denn die naturliche Ordnung erfordert, wöllen wir auff das allerkürtzest anzeygen. Doch müssen wir zuvor vermelden, daß dise eusserste mitnächtige Länder, Finland und Lappenland, da sie noch im Heydenthumm gewesen, also in der Zauberei sein erfahren und geschickt gewesen, als wann sie den Zauberer Zoroasten auß Persia selber zu eynem Lehrmeyster in solcher Kunst gehabt hetten.

Die Finländer haben unter andern Irrthummen des Heydenthumms auch disen gehabt, daß sie den Kauffleuthen, wann sie durch böse, widerwärtige Wind am Gestaden verhindert worden, den Wind feylgebotten und umb Gelt verkaufft haben. Trei Knöpff [4] haben sie ihnen geben, die haben sie durch Zauberei an eynen Riemen gemacht, doch mit disem Bescheyd: wann sie den ersten werden auffthuen, so werden sie guten, sänfften Wind haben; den andern, so werde der Wind etwas häfftiger sein; den dritten, so werden sie solch ungestümm Wetter haben, daß sie weder zum Schiff werden können hinaußsehen, damit sie nit an die Steyn fahren, noch im Schiff werden können gehen und die Segel zusammenheben, noch das Ruder werden können halten und meystern. Und haben diejehnige die Sach mit ihrem grossen Schaden erfahren, die durch Verachtung vermeynet, daß solche Knöpff keyne Krafft solten hinder sich haben. Jedoch nachdem diß Volck zum christlichen Glauben bekehret worden, hat man nie innen worden [5], daß es sich solcher Zauberei solte weiters gebraucht haben.

Über daß so hat Silvald [6] auß Schweden, der dem König Haldan nach dem Königreich gestanden, siben Söhne gehabt, die seind in der Zauberei so wol erfahren gewesen, daß sie offtermals urblötzlich seind worden, als wann sie unsinnig weren, greulich, mit gekrümmtem Maul geblärret, die Schild zerbissen, glüende Kolen verschlücket, durch das Feuer geloffen und nicht anderst denn mit gar harten Banden oder durch Menschenopffer haben können gestillet werden.

Aus Buch 21:  Von den großen Meerwundern und Fischen

4. Von dem Physeter, Sprützwall genennet,
und seiner Greuligkeyt gegen den Schiffleuthen
Sprützwall

Under den Wallfischen ist der Physeter oder Priester, Sprützwall genennet, welches Länge biß in die zweyhundert Elenbogen ist, sehr eyner greulicher Natur. Er erhebet und thut sich bißweilen zu grossem Schaden deren, so im Schiff sein, hoch über die Sägelstang und schüttet das Wasser, welches er gesammlet und in sich gesoffen, mit solchem großen Hauffen auß den Rören, die er am Kopff hat, in die Schiff, daß er bißweilen die allerstärckeste Schiff entweder durch solches Wasser versencket oder die Schiffleuth in grosse Gefärligkeyt bringet.

Es hat diß Thier sehr eyn grosses, weites, rundes Maul wie eyn Lampret [7], damit er die Speiß nimmt und das Wasser schöpffet. Es fället offt mit seinem großen Leib entweder vornen oder hinden in die Schiff, trücket sie under sich und versencket sie. Bißweilen ist es an solchem und daß es mit Wasserschöpffen den Schiffen Schaden thut, nit zufriden, sonder stosset das gantz Schiff darzu mit dem Rücken auff eyn Seite oder schlecht es mit dem Schwantz umb. An seinem gantzen Leib hat es eyn dick und schwartzes Leder, lange Federn wie die breyte Füß, eyn zertheylten Schwantz mit zweyen Spitzen, fünffzehen oder zwentzig Schuch breyt, damit es den Schiffen vil Leyds thut. Jedoch kan man seiner Boßheyt durch eyn Posaunen oder Trummeten begegnen, deren harten und hellen Klang es nit leiden kan, und mit sehr grossen Fassen, die man hinauß ins Meer wirfft und seinen Lauff damit hindert. Dann es spilet damit und vergisset eyn Weil der Schiff. Oder mit grossen und starcken Büchsen, ab welcher hellen Knall es vil mehr dann von dem Steyn und Schuß erschricket. Dann es verleuret der Steyn gemeynlich sein Krafft, entweder durch das Wasser oder durch die Feysste des Fisches. Dann wann man ihn schon triffet, so gehet es doch nit mehr dann nur eyn wenig in den grossen Leib, der allenthalben mit dicker Feysste als mit eynem Bollwerck umbgeben ist. Man findet auch stätigs im nordwegischen Meer alte und neue Meerwunder von wegen der unergründlichen Tieffe. So sein auch mancherley Fisch in der Tieffe auff dem Grund, die nimmer oder gar selten gesehen werden.

Zum Inhaltsverzeichnis   -   Die Carta marina von 1539


[1] schlichten, einfachen
[2] Der erste Absatz dieses erstaunlichen Kapitels gehört zu den Passagen, die in der von uns zugrunde gelegten Übersetzung des Israel Achatius, Straßburg 1567, nicht enthalten sind. Wir ergänzen ihn nach der im gleichen Jahr in Basel erschienenen Übersetzung von Johann Baptist Fickler, dort S. 22..
[3]
der Sinn etwa: Wenn man aber Talent einsetzt, lassen sich mit Geschick diese Entwürfe zur Veredelung und Verschönerung der Häuser verwenden.
[4] Knoten.
[5] hat man nie gehört
[6]
Vgl. Saxo Grammaticus, Gesta Danorum, Buch 7:2.
[7] Neunauge.